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Was Menschen wirklich antreibt - kommt wahre Kraft von innen?

Anders als bei vielen Motivationsmodellen konnten die „Big Three“ nicht nur statistisch, sondern auch empirisch belegt werden, indem nachgewiesen wurde, dass die Ansprache dieser Motive mit der Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter verbunden ist.

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Bild: Tumisu auf Pixabay

Dies ist Teil 4 der 10-teiligen Blog-Serie "Motivation ist machbar … aber anders als viele denken"

Motivation ist ein hochaktuelles Thema, das zugleich auch höchst kontrovers diskutiert wird. Allein bei Amazon finden sich unter dem Stichwort „Motivation“ tausende Bücher zum Thema, bei denen es überwiegend um zwei zentrale Fragen geht:

      1. Wie können wir uns selbst motivieren?
      2. Wie können wir andere Menschen motivieren?

Die meisten dieser Bücher haben eine Gemeinsamkeit: Sie gehen davon aus, dass Motivation beliebig erzeugt werden kann. Nach dem Motto „Gewusst wie“, scheint es nur eine Frage der richtigen Technik zu sein, die gewünschte Motivation zu erzeugen. Doch wie wir bereits in den vorhergehenden Beiträgen gezeigt haben, handelt sich bei der „Motivation-ist-machbar-Idee“ um einen Erfolgs-Zombie, denn dabei wird übersehen, dass auch unsere individuellen Motive genetisch beeinflusst sind. Weitaus vielversprechender wäre es, herauszufinden, wodurch mein Handeln und das meiner Mitmenschen motiviert ist. Dabei kann es natürlich Gemeinsamkeiten geben, muss es aber nicht!

Im Film „Pumping Iron“, einer Dokumentation von 1977 über den damals noch jungen Sport Bodybuilding, wird der Aufstieg von Arnold Schwarzenegger zum mehrfachen Mister Olympia verfolgt. Ein oft in Motivationstrainings zitierter Satz von Mr. Schwarzenegger ist: „Die Schmerzgrenze überwinden, das ist, was die Muskeln wachsen lässt. Da ist dieser Schmerz, dieses Stechen, und du machst einfach immer weiter und weiter. Das unterscheidet einen Champion von einem Nicht-Champion – er hat den Mumm, über die Schmerzgrenze hinauszugehen.“ Das Gleiche wird heutzutage auf die saloppe Kurzformel gebracht: „Quäl dich, du Sau!“ Doch so schmissig diese Formulierung auch klingt, so falsch ist sie. Der wirklich entscheidende Satz, um Schwarzeneggers Motivation zu verstehen, fällt an anderer Stelle: „Eisen zu pumpen und vor 5.000 Leuten zu posen, ist wie ein Orgasmus. Es ist das Tollste, was es gibt auf der Welt.“

Die Meilensteine bei der Weiterentwicklung der Motivationsforschung

Der Begriff „Motiv“ wird als „Beweggrund, Anlass, Antrieb“ definiert. Ähnlich wie bei der Persönlichkeitsforschung lag bei der Motivationsforschung der Schwerpunkt lange Zeit auf der Systematisierung beobachtbarer Merkmale. Die Frage nach dem Ursprung solcher beobachtbaren Beweggründe und Antriebe konnte lange Zeit nicht beantwortet werden. Ein Meilenstein bei der Weiterentwicklung der Motivationsforschung waren daher die Arbeiten des US-amerikanischen Psychologen David McClelland. Er entdeckte drei Grundmotive, die bei jedem Menschen in unterschiedlich starker Ausprägung vorhanden sind:

  • Anschluss (Affiliation) mit dem Streben nach Sicherheit, Zuwendung, Geborgenheit und Freundschaft. Damit verbunden ist die Angst, unbeliebt, ausgeschlossen, isoliert und alleingelassen zu sein.
  • Macht (Power) mit dem Streben nach Dominanz, Bedeutung, Status, Einfluss, Kampf und Wettbewerb. Damit verbunden ist die Angst, unwichtig, abhängig, unbedeutend zu sein und keine Kontrolle über andere zu haben.
  • Leistung (Achievement) mit dem Streben nach Fortschritt, Kreativität, Abwechslung und Neugier. Damit verbunden ist die Angst, unfähig, schwach, dumm und nutzlos zu sein.

Anders als bei anderen Motivationsmodellen konnte McClelland seine „Big Three“ nicht nur statistisch, sondern auch empirisch belegen, indem er nachwies, dass die Ansprache dieser Motive mit der Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter verbunden ist.

Wie passt nun diese Erkenntnis über die drei zentralen Grundmotive zu unserem alltäglichen Erleben? Schließlich sind Motive nicht statisch. Antriebe entstehen auch als Reaktion auf Anreize aus der Umwelt. Ob Siegprämien für Fußballmannschaften, fünf Euro für eine gute Note in der Klassenarbeit oder der Gehaltsbonus beim Erreichen vorgegebener Ziele – erst wenn ein ordentlicher Anreiz winkt, entsteht Motivation und wir geben unser Bestes, oder?

Intrinsische und extrinsische Motivation

Auch hier kommt es auf eine differenzierte Betrachtung an: Die Motivationsforschung versucht, dieses Problem durch die Differenzierung der verschiedenen Motivationsquellen zu lösen. Entsteht eine Motivation aus uns selbst heraus, sprechen wir von „intrinsischer“, erfolgt sie dagegen durch einen von außen gesetzten Anreiz, sprechen wir von „extrinsischer Motivation“:

  • Machen wir eine Arbeit, die uns Spaß macht, obwohl wir vielleicht wenig oder gar kein Geld dafür bekommen, spricht das für eine intrinsische Motivation.
  • Erledigen wir dagegen eine Aufgabe, die uns keinen Spaß macht, nur um zum Beispiel Geld dafür zu bekommen, spricht das eher für eine extrinsische Motivation.

Das klingt zwar auf den ersten Blick stimmig, ist es aber nicht. Deutlich wird das, wenn wir ein gern verwendetes Beispiel betrachten: das Musizieren. Häufig wird die Begeisterung für ein Instrument und die Musik als intrinsische Motivation eingestuft. Warum sonst sollte jemand an seinem freien Nachmittag zum Beispiel Gitarre oder Klavier üben, wenn es keinen Spaß machen würde?

Den meisten Eltern würden dazu ein paar plausible Antworten einfallen:

  • Weil die beste Freundin ebenfalls Klavier spielt oder
  • weil die Eltern es verlangen oder
  • weil es den Opa glücklich macht, wenn seine Enkel ein Instrument spielen
  • oder, oder, oder …

Dieses Beispiel macht deutlich, dass ein beobachtbares Resultat durch unterschiedliche Antriebe zustande kommen kann. So kann der Ursprung zum Musikmachen aus dem Leistungsmotiv kommen, weil wir Interesse an kreativen Tätigkeiten haben. Genauso ist es möglich, dass das Anschlussmotiv uns antreibt, ein Instrument zu lernen, weil zum Beispiel die Freunde musizieren. Und wenn es darum geht, bei „Jugend musiziert“ am Solo-Klavier den ersten Platz zu machen, kann auch das Machtmotiv (Statusgewinn) eine Rolle spielen. Während wir im ersten Fall von intrinsischer Motivation sprechen würden, hätten wir es dann im zweiten und dritten Fall mit extrinsischer Motivation zu tun? Das ist schwer zu sagen, denn in allen drei Fällen spielen wir das Instrument ja freiwillig, aber um vollkommen unterschiedliche Motive damit zu befriedigen.

Außerdem können intrinsische und extrinsische Motivation ja auch zusammenwirken, schließlich soll es Leute geben, die Spaß an der Arbeit haben und damit auch noch gutes Geld verdienen!

Unser Verhalten wird durch ein komplexes Zusammenspiel von Motiven und Anreizen gesteuert

Menschen sind keine Reiz-Reaktions-Maschinen! Vielmehr wird unser Verhalten durch ein komplexes Zusammenspiel aus individuellen (zum Teil verborgenen) Motiven und Anreizen von außen gesteuert.

Implizite Motive sind unserem Bewusstsein nicht zugänglich. Sie bilden das Betriebssystem für unseren Autopiloten und damit die Bewertungsgrundlage, wie wir unterschiedliche Aspekte unserer Umwelt wahrnehmen, bewerten und welche Schlüsse wir daraus ziehen. Sie liegen überwiegend auf der Ebene der Biostruktur und sind genetisch veranlagt. Explizite Motive sind uns bewusst und entstehen häufig als Folge von Lernerfahrungen. Sie fungieren als „Anwendungssoftware“ für die Umsetzung unserer impliziten Motive. Sie sind überwiegend auf der Ebene des Charakters angesiedelt und werden durch unser kulturelles Umfeld und unsere Sozialisationserfahrungen bestimmt. 

Vereinfacht gesagt, geben unsere impliziten Motive vor, was wir wollen. Die expliziten Motive dagegen beschreiben Wege, wie / wodurch wir glauben, es zu bekommen. Der Schlüssel zu einem besseren Verständnis, was wir eigentlich wollen und was unser Handeln wirklich antreibt, liegt also im Motivsystem unseres Gehirns. Statt sich also zu fragen „wie kann ich mich selbst / andere Menschen motivieren?“ wäre die bessere Frage „was treibt mich / einen anderen Menschen eigentlich an und wie kann ich diese vorhandene Motivation erhalten und nutzen?“. Denn auch wenn „Motivation“ nur bedingt erzeugt werden kann, ist De-Motivation ganz einfach möglich. Daher sollten sich beispielsweise Führungskräfte immer zuerst fragen, wie sie De-Motivation vermeiden können und statt dessen eine Rahmen schaffen, in dem sich die ohnehin vorhandene individuelle Motivation zielgerichtet entfalten kann. Authentizität und Einfühlungsvermögen sind die Schlüssel, mit dem Sie und Ihre Mitarbeiter*innen persönliche Autonomie und Selbstbestimmung erreichen, statt zunehmend gestresst, desillusioniert und willenlos nur noch zu funktionieren und sich immer öfter wie ein Zombie zu fühlen. Welche Rolle dabei individuelle „Zielvereinbarungen“ spielen, erfahren Sie im nächsten Teil dieser Serie.

Lesen Sie im nächsten Beitrag: 

Go Great - bestimmt die Größe unserer Ziele die Größe unseres Erfolgs?

(Veröffentlichung: 30. Juni 2021)

 

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Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch: 
Ralf China, Juergen Schoemen „Sei du selbst, sonst geht’s dir dreckig - warum Erfolg nicht mit Patentrezepten, sondern nur individuell machbar ist.“